Die Hagelversicherung und das Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) sind sich einig: Die Erreichung des 2,5-Hektar-Bodenverbrauchsziels der Bundesregierung erfordert steuerliche Anreize. Dies bestätigt die brandneue Studie, die das WIFO im Auftrag der Hagelversicherung erstellt hat.

 

Sind sich einig: Univ.Prof. MMag. Gabriel Felbermayr, PhD, Dr. Margit Schratzenstaller und Dr. Kurt Weinberger: „2,5 Hektar Bodenverbrauchsziel erfordert auch steuerliche Anreize.“

 

„Der gegenwärtige Bodenverbrauch von mehr als 11 Hektar Äcker und Wiesen, was einem Ausmaß von 16 Fußballfeldern pro Tag entspricht, gefährdet nicht nur die Lebensmittelproduktion, die Tier- und Pflanzenwelt, den Tourismus etc. Die Verbauung befeuert auch die Auswirkungen von Extremwetterereignissen wie Überschwemmungen. Daher braucht es sofort ein umfassendes Maßnahmenbündel von raumplanerischen Vorgaben bis hin zu fiskalischen Instrumenten, um das Bodenverbrauchsziel der Bundesregierung von höchstens 2,5 Hektar pro Tag bis 2030 zu erreichen“, appellierten unisono der Vorstandsvorsitzende der Österreichischen Hagelversicherung, Dr. Kurt Weinberger, der WIFO-Direktor Univ.Prof. MMag. Gabriel Felbermayr, PhD und die Studienautorin der WIFO-Studie „Steuerpolitische Instrumente zur Verringerung des Bodenverbrauchs in Österreich“, Dr. Margit Schratzenstaller.

Felbermayr: Bodenverbrauch wird national geregelt
WIFO-Chef Gabriel Felbermayr prognostiziert massiven Wohlstandsverlust und steigende Abhängigkeiten, wenn der enorme Bodenverbrauch nicht jetzt eingedämmt wird: „Bereits in der WIFO-Studie „Bodenverbrauch nimmt uns Essen vom Teller“ von Dozent Dr. Franz Sinabell wird die Dringlichkeit der Begrenzung des Flächenverbrauchs dargestellt. Die Ergebnisse dort zeigen, dass das Ackerland zwischen 1999 und 2020 um über 72.000 Hektar abgenommen hat. Die heißt, umgerechnet in Versorgungsleistung, dass in Österreich binnen 20 Jahren etwa 480.000 Menschen pro Jahr weniger ernährt werden können. Die Zukunft muss anders aussehen. Das „Gute“ dabei: Es handelt sich beim Bodenverbrauch um ein rein nationales Umweltproblem.“

Felbermayr schlägt daher als konkrete Maßnahme die Einführung einer bundesweiten Leerstandsabgabe vor. Wörtlich: „Das würde dem Staat Mehreinnahmen einbringen, mit denen man die Grunderwerbsteuer senken kann, die die effiziente Verwendung von Grund und Gebäuden behindert. Letztendlich braucht es aber auch quantitative Messgrößen, um die Verbauung einzudämmen.“

 

 

Schratzenstaller: Gegenwärtige Steuern sind eher Anreiz für Verbauung
Eine Reihe bestehender Steuern sind derzeit ein Impulsgeber für den Bodenverbrauch. Das ist weder ökonomisch noch sozial vernünftig und geht auch zu Lasten der Umwelt. Schratzenstaller schlägt vor: „Es braucht eine Reform der Kommunalsteuer. So kann eine verpflichtende interkommunale Teilung des Kommunalsteueraufkommens helfen, Anreize für Umwidmungen zu verringern und Zersiedelung einzudämmen. Österreich hat leerstehende Industrie-, Gewerbe- und Wohnimmobilien laut Schätzungen des Umweltbundesamtes im Ausmaß von 40.000 Hektar. Das entspricht in etwa der Fläche der Stadt Wien. Eine verpflichtende österreichweite Leerstandsabgabe sowie die Wiedereinführung der Zweckwidmung des Wohnbauförderungsbeitrages und die Verwendung eines Teils der Mittel für Altbausanierung können helfen, den Leerstand einzudämmen. Und es müssen auch raumplanerische Aspekte berücksichtigt werden: eine verpflichtende Leerstandsdatenbank sowie die gesetzliche Ausweisung von besonders wertvollen Agrarflächen wie in der Schweiz sind ebenso konkrete Vorschläge wie mögliche neue Instrumente im Zusammenhang mit handelbaren Flächenzertifikaten oder CO2-Emissionszertifikaten.“

 

 

Weinberger: Kommunalsteuer steuert falsch
Weinberger bringt es auf den Punkt: „Es braucht beim Bodenverbrauch einen Maßnahmenmix nach den Prinzipien Vermeiden, Wiederverwerten und Intensivieren. In dem Zusammenhang muss auch die Frage gestattet sein, ob die gegenwärtigen Steuern auch richtig steuern. Bei der Kommunalsteuer, die auf Gemeindeebene eingehoben wird, hat der Bürgermeister ein Anreizsystem, Genehmigungen für Gewerbezentren zu erteilen, weil er daraus Einnahmen lukriert. Die Lösung: Die Kommunalsteuer muss als Bundessteuer eingehoben und im Zuge des Finanzausgleichs an auch ökologische Kriterien gekoppelt verteilt werden.“ Er schlägt weiter vor, das System der Flächenwidmungsabänderung auf Landesebene durch einen weisungsfreien Raumordnungsbeirat, der für die Gemeinden die Umwidmungen genehmigt, effizienter zu regeln. Weinberger drastisch: „Von Beton können wir jedenfalls nicht abbeißen.“


Die Studie (Kurzfassung): Studie Steuerpolitische Instrumente zur Verringerung des Bodenverbrauchs in Oesterreich

 

Fotos: ÖHV