„VAÖ vor Ort“, das neue Angebot des Agrarjournalistenverbandes an die Kolleginnen und Kollegen, führte im Rahmen der ersten Veranstaltung ins nördliche Burgenland, konkret nach Gols, um dort „Österreichs Weinbau zwischen Tradition und Innovation“ kennenzulernen. VAÖ-Präsidentin Claudia Jung-Leithner, selbst Mitglied der Fachexkursion, berichtet hier über diese VAÖ-Premiere.
Dass heimische Winzerinnen und Winzer sowohl auf Tradition als auch verstärkt auf Innovation setzen, um ihre Betriebe zukunftsweisend aufzustellen, wurde bei einer Pressefahrt des Agrarjournalistenverbands Österreichs (VAÖ) am Beispiel der burgenländischen Gemeinde Gols deutlich. Fruchtige Weiß- und Rotweine, Weinmischgetränke bis zu entalkoholisierten Weinen stehen dabei ebenso im Fokus wie Wein-Events, Digitalisierung, modernste Labortechnik und Bewässerung.
„Als kleines, weinbautreibendes Land können wir nur mit Qualität punkten und nicht mit Massenprodukten. Und der Aufstieg der österreichischen Weinwirtschaft über Jahrzehnte ist gigantisch, weil sie immer am Puls der Zeit war und ist“, gab der Präsident der LK Burgenland, Niki Berlakovich, einen Einblick in die Weinbaugeschichte. Während im Burgenland vor zwei, drei Generationen noch primär gemischte Betriebe mit Tierhaltung, Acker- und Weinbau dominierten, kam es danach zu einer verstärkten Spezialisierung – so auch auf edle Rebensäfte.
Weinköniginnen-Rolle als „Türöffner“
Primär galt Gols, eine der bedeutendsten Weinbaugemeinden Österreichs, eher als Weißweingebiet. Angesichts des Rotweinbooms um die Jahrtausendwende wurde aber vielfach umgestellt. Deswegen produzieren sowohl der Weinbaubetrieb der Familie Allacher, als auch jener der Familie Riepl heute zu 50 % Rot- und zu 50 % Weißwein. „Wir haben uns teilweise mitreißen lassen. Jetzt sind wir froh, dass wir nicht komplett umgestellt haben“, berichtete Christine Riepl, Winzerin, amtierende burgenländische Landesbäuerin und ehemalige Weinkönigin, die dieses Amt auch als „Türöffner“ und Möglichkeit zur Vernetzung bezeichnete. Während sie sich mit ihrem Mann dafür entschied, den Betrieb bei 15 ha zu belassen, „weil sich das Rad nur größer drehen, aber nicht mehr übrigbleiben würde“, erachtet sie es heute als wichtig, die Fläche für Tochter Christine doch auf 30 ha auszuweiten.
Um als traditionsreicher Familienbetriebe neue Kundschaft zu gewinnen, wird auf Winzerfeste wie Weinfrühling und Martiniloben, aber auch auf Homepage, Newsletter und kreative T-Shirts gesetzt. „Wir merken, dass die Kunden komplett anders sind. Früher haben wir vor allem 6-er-Kartons verkauft, heute mischen die Leute oder kaufen gar einzelne Flaschen, wie sie es aus dem Supermarkt gewohnt sind“, berichtete Riepl. Tochter Susanne, ebenfalls Weinkönigin, arbeitet bereits intensiv am Betrieb mit und probiert gerne neue Trends. „Wenn sie einen Wein macht, muss sie ihn auch anbieten und verkaufen. Schon bei der Weinbereitung gilt es zu überlegen, wer den Wein kaufen soll“, erklärte Christine Riepl, etwa im Hinblick auf sehr naturnahe Weine. Als große Herausforderungen nennt sie – wie auch Golser Kollegen – Arbeitskräfte und Bürokratie.
Modernste Technik zur Lese und Abfüllung
Da Gols sehr unter Klimawandel bzw. Trockenheit leidet, wurde laut Riepl auch eine Bewässerungsgenossenschaft gegründet. Rund 90 % seiner Flächen bewässert auch ihr Kollege Michael Allacher, der über 40 ha Eigenfläche verfügt und die Trauben von 120 ha verarbeitet. Dazu beschäftigt er 13 Mitarbeiter, eine Person allein für Social Media. Für viel Effizienz sorgen zudem seine moderne Abfüllanlage, bei der er mit Hilfe von zwei Leuten 4.000 Flaschen pro Stunde abfüllen kann, und sein Vollernter. „Wir haben zu 99 % eine maschinelle Lese, der Vollernter schafft bis zu 10 ha pro Tag und hat für uns viel mehr Vorteile als Nachteile. So bleiben etwa die sauren, unreifen Trauben einfach hängen. Wenn es passt, lesen wir von 2 Uhr nachts bis 8 Uhr Früh. Bei uns wird alles zum bestmöglichen Zeitpunkt geerntet, das bringt mehr Frische und mehr Frucht“, berichtete Allacher, der seinen Wein zu 50 % exklusiv an einen LEH-Konzern, 20 % an die Gastronomie, 20 % über die Online-Schiene und 10% ab Hof vermarktet. Auch Allacher setzt auf Veranstaltungen. „Bei unseren Sundowner-Events etwa kommen bis zu 500 Gäste“, so der Weinbauer, der 2017 auch mehrere Millionen Euro in sein 3.600 m2 großes Betriebsgebäude investiert hat, das mit dem burgenländischen Holzbaupreis ausgezeichnet worden ist.
Entalkoholisierte Weine im Trend
Rund 60.000 seiner 700.000 bis 800.000 erzeugten Flaschen jährlich entfallen mittlerweile auf entalkoholisierten Wein. „Ich war in Hamburg bei einer Verkostung, die mein Interesse geweckt hat. Es war ein enormes Wachstumspotenzial spürbar“, erzählte Allacher. Rund eine Woche später sei er auch bereits von „seinem“ LEH-Konzern diesbezüglich kontaktiert worden. Eine entsprechende Anlage zur Entalkoholisierung gibt es bisher nur in Deutschland. „Damit sich das rechnet, bräuchten wir 1,5 Mio. Liter. Das hat ganz Österreich bisher nicht“, so Allacher, der das Interesse an diesem seit 2024 von ihm sowohl in Rot als auch in Weiß angebotenen Produkt begeistert kommentierte.
Die beiden traditionellen und gleichzeitig innovativen und erfolgreichen Golser Weinbaubetriebe dürfen jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass viele andere Betriebe erheblich unter der Krisensituation kämpfen und die Golser Weinbaufläche allein im letzten Jahr um ein Zehntel abgenommen hat, was auf das Aus zweier größerer Betriebe zurückzuführen ist. Neben Landwirtschaftskammer, Weinbauverein und Land steht auch das Golser Raiffeisen-Lagerhaus mit Rat und Tat zur Seite und unterstützt insgesamt rund 350 eher kleinere Weinbaubetriebe mit Labor-Analysen zur Qualitätssteigerung, Technik und Informationen. „Insbesondere in solare Kühlungen wir viel investiert, in andere Bereiche weniger“, berichtete Lagerhaus-Mitarbeiter Jürgen Wurzinger gegenüber dem VAÖ. Aber auch Robotik, sowohl im Außenbereich zur Unterstockbearbeitung, als auch innen zur Flaschenabfüllung und -kennzeichnung wie beim Betrieb Allacher, ist ein angesagtes Thema.
Berlakovich: Auf neuen Märkten behaupten
„Wir sind alle stolz auf die Qualität unseres Weines, weil dieser für Österreich ein Aushängeschild ist – mit Topqualität und einem viel besseren Preis-Leistungs-Verhältnis als in anderen Ländern. Umso mehr ist es neben dem Bisherigen wichtig und angesagt, sich auch auf neuen Märkten wie Kanada zu behaupten“, gab auch Berlakovich eine Marschrichtung für die Zukunft vor.
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