Kollegin Verena Lauber hat im „Bayerischen Landwirtschaftlichen Wochenblatt“ eine ausführliche Story über die Nutzung und den Wert von Messenger-Apps für Landwirte geschrieben, die wir mit freundlicher Genehmigung der Chefredaktion in den VAÖ-News verwenden dürfen.

 

 

Hier der Artikel:

Das Smartphone ersetzt keine zwischenmenschlichen Beziehungen. Aber soziale Medien und Kurznachrichtendienste sind als Kommunikationsmittel unverzichtbar geworden. Wie man das seelische und geistige Gleichgewicht wahrt, erklärt Angelika Wagner.

Aktuell vernetzen sich Bäuerinnen und Bauern gerne über WhatsApp-Gruppen. Das ist grundsätzlich positiv zu sehen, da man sich mit Gleichgesinnten austauschen kann. Es gibt aber auch Gruppierungen, welche die Teilnehmer beinahe täglich mit negativen Nachrichten berieseln – manchmal auch mehrmals am Tag.

Ein Interview mit Angelika Wagner, Pädagogin und Erwachsenenbildnerin, Psychotherapeutin, Mediatorin und Kommunikationstrainerin für bäuerliche Familien.

Braucht es Online-Plattformen zum Meinungsaustausch oder mehr persönliche Gespräche?

Das eine schließt das andere ja nicht aus. Es soll aber auf die Qualität solcher Vernetzungsgruppen geachtet werden. Und für Bäuerinnen und Bauern gilt auch, mutig zu sein und zur eigenen Lebensform zu stehen und sich auch zu fragen: Was ist für mich Lebensqualität?

Möchte man in einer Gruppe etwas erreichen, ist es enorm wichtig, auch auf Vernetzungen zu schauen. Bewegt man sich hingegen nur in der eigenen Blase, wird der Dialog schwierig. Dialog heißt auch, sich andere Erfahrungen und Meinungen anzuhören, diese zu akzeptieren und bestenfalls daraus für die eigene Situation etwas mitzunehmen. Agiert eine Gruppe aber nach dem Motto: Wir haben eine Botschaft und die ist richtig, und deshalb müssen alle Mitglieder gleich agieren, wird es schwierig. Wenn etwas irritiert, sollte der Dialog gesucht werden. Für alle Gruppen, Vereine und Institutionen gilt: Wenn alle weggehen, die anders denken, die Systeme auflösen könnten, ist ein Scheitern vorprogrammiert.

Je größer die Gruppe, umso heterogener ist sie zusammengesetzt. Wie funktioniert sie dennoch?

Dies geschieht aus einer Art Not heraus. Es gibt durchaus Rahmenbedingungen, welche eine Erschwernis für Bäuerinnen und Bauern darstellen. Sei es die Abhängigkeit von Förderungen, Kritik seitens der Gesellschaft oder der bürokratische Aufwand. Wenn ich Bäuerin wäre, hätte ich persönlich ja auch gerne, dass ich diese Unterstützungsmaßnahmen nicht brauche und dass ich nicht so abhängig davon bin, wie politische Entscheidungen fallen. Das ist aber nicht so.

Wenn in dieser Situation jemand ums Eck kommt, und sagt: „Lass dir das doch nicht gefallen“, so löst das oft das Gefühl aus, endlich verstanden zu werden.

Treffen wir Entscheidungen, so spielt das Unterbewusstsein eine große Rolle. Was läuft im Gehirn ab, wenn ich mir täglich negative Nachrichten anhöre?

Wenn ich den Konsum von Nachrichten, zum Beispiel via soziale Medien, gut in mein Denken eingebettet habe, ist eine gewisse Menge durchaus vertretbar. Wenn ich aber beispielsweise auf nüchternen Magen schon negative Meldungen konsumiere und abends vorm Bett gehen vielleicht noch eine Portion davon nehme, dann macht dieser Konsum sehr wohl etwas mit mir. Die Welt ist momentan verunsichert – aus verschiedenen Gründen.

Durch eine sehr enge mediale Vernetzung verstärkt sich das nochmals. Ständig von angstmachenden Nachrichten bombardiert zu werden, kann sich wie eine dunkle Wolke über einen legen – das macht etwas mit einem. Im Grunde kommt man dadurch in eine Stressreaktion. Gibt es auch noch eine Resonanz auf das, was im Leben wirklich passiert, wie zum Beispiel Schulden oder Angst, kann es zu einem bedrückenden Gefühl kommen. Das lässt sich mit Fragen beschreiben, wie zum Beispiel: Was geschieht da jetzt mit mir? Oder aber auch mit Feststellungen, wie: Ich habe keinen Einfluss mehr darauf.

Das Ankämpfen gegen Windmühlen ist manchmal durchaus notwendig, denn ohne Revolutionen und Aufstände hätte es keine Weltentwicklung gegeben. Dazu braucht es jedoch das rechte Augenmaß.

 

Angelika Wagner ist Pädagogin und Erwachsenenbildnerin, Psychotherapeutin, Mediatorin und Kommunikationstrainerin für bäuerliche Familien

 

Macht es einen Unterschied, ob die Information schriftlich ist oder ob es sich um gesprochene Worte handelt?

Gesprochene Worte werden schneller aufgenommen – sind aber auch flüchtiger und verschwinden schneller wieder.

Welchen Einfluss hat die Anzahl der Wiederholungen von Informationen auf unser Unterbewusstsein?

Wenn ich mich immer in dieser Schleife bewege, entsteht oft das Gefühl: Es hat eh alles keinen Sinn. Eine Flut von negativen Nachrichten – wir kennen das auch noch aus der Coronazeit – verengt den Geist, erhöht das Stresslevel, was sich auch im Stoffwechsel beobachten lässt. Der Cortisolspiegel steigt – sehr hohes Stresslevel – und das kann tatsächlich krank machen.

Hier ist das beste Handwerkszeug unbedingt die Nachrichtenflut zu stoppen und auch positive Dinge auf die Waage zu legen, damit wieder ein Gleichgewicht entstehen kann. Also: Ein Paket mit negativen Einflüssen schnüren, Schleife drum und auf zu den Dingen, die wirklich Freude machen – das können eine erfüllende Arbeit, Begegnungen mit lieben Menschen, Tiere, der Garten oder anderes sein. Dabei versucht man, dieses Tun sinnlich wahrzunehmen und diese Sinneswahrnehmung zu erweitern und abzuspeichern.

Gibt es Unterschiede, wie empfänglich Menschen für solche Nachrichten sind?

In der Kommunikation spielen Sender und Empfänger eine große Rolle. Abhängig davon, was ich selber erlebt habe, kann ein und dieselbe Information von verschiedenen Empfängern völlig anders aufgefasst werden. Es geht dabei viel um Wahrnehmung.

Fokussiert sich die Wahrnehmung nur mehr auf einen schmalen Ausschnitt, verliert man den Blick auf das große Ganze. Was „ich“ wahrnehme, hängt auch damit zusammen, ob ich die Information für richtig halte, was kann „ich“ davon überhaupt verarbeiten und wie viele verschiedene Interpretationsmöglichkeiten ich mir gebe. Das alles stößt dann auch noch auf die emotionale Ebene. Denn es kommt ganz stark darauf an, was ich hören „will“. Hört man die gleichen Informationen immer wieder, dann kommt irgendwann der Moment, in dem man diese auch glaubt.

Gesteuert von meiner eigenen Wertehaltung, gesteuert von dem, was mir wirklich wichtig ist, entsteht so eine verzerrte Wahrnehmung. Dadurch ist es wichtig, auch einmal einen Schritt zurück oder nach vorne zu wagen, um wieder Raum für andere Sichtweisen zu schaffen. Hier ist es wesentlich, ob ich mir die andere Meinung wirklich anschaue, oder ob ich sie an mir abprallen lasse.

Das heißt aber nicht, dass ich nicht auch mal wütend auf gewisse Umstände sein darf. Auch das muss manchmal Platz haben.

Haben solche Gruppen oder Nachrichten Suchtpotenzial?

Ja, das kann durchaus passieren und ist ein Mitgrund, warum Menschen solche Gruppen nicht verlassen.

Manche Bäuerinnen und Bauern merken zwar, dass ihnen negative Informationen nicht guttun, steigen aber trotzdem nicht aus den Gruppen aus. Gibt es dafür eine Erklärung?

Die Zugehörigkeit zu Gruppierungen von Menschen verändert sich auf der Welt. Sei es politisch oder religiös. Viele haben vermehrt das Gefühl, nicht mehr genau zu wissen, wo sie dazugehören – dabei hat der Mensch aber das Bedürfnis, zu einer Gruppe oder mehreren dazuzugehören, und im Idealfall auch noch etwas bewirken zu können. Dann bleibe ich in dieser Gruppe, weil ich nicht mehr wahrnehme, ob mir diese Gruppe noch guttut, beziehungsweise viele stellen sich diese Frage auch nicht.

Für verschiedenste Themen wird gerne versucht, einen Schuldigen zu finden. Es besteht dadurch auch die Gefahr, in eine Opferrolle zu rutschen. Wie wirkt sich diese Rolle auf die Handlungsfähigkeit eines Menschen aus?

Sich auszutauschen, einmal richtig zu meckern oder sich auch einmal zu beschweren, macht auch Energie frei, um dann wieder zu sagen: Wie kann ich das jetzt gestalten? Was mache ich daraus? Wie kann ich meinen Talenten entsprechend etwas weiterentwickeln?

Hänge ich in dem Modell „Weil das immer schon so war – das haben wir immer so gemacht“ fest, laufe ich Gefahr, in neuen Reglementierungen zu ersticken. Darum werden auch Gruppen gerne angenommen, wo man das Gefühl hat, nicht allein mit diesen Problemen da zustehen. Man fühlt sich verstanden und einem Teil einer Revolte angehörig. Das Gefühl aufgehoben zu sein, Teil einer Gemeinschaft zu sein, in der alle ähnlich denken, gibt Sicherheit, hemmt gleichzeitig aber die eigene Gestaltungskraft für meine Situation, für meinen Betrieb.

Wenn man sich anschaut, wie Menschen gut und stabil im Leben stehen können, sieht man eine Akzeptanz von gewissen Fakten, aber auch den Fokus auf eine Zukunftsorientierung. Was kann ich gestalten? Welche Netzwerke sind nützlich? Erfolgreiche Menschen schauen nicht auf die Defizite, sondern darauf, was ich mit dem Vorhandenen machen kann.

 

Überlegungen zur Betriebsentwicklung

 

Link zum Artikel: https://www.wochenblatt-dlv.de/oesterreich/austausch-belastung-whatsapp-gruppen-landwirte-beeinflussen-579119

 

Fotos: Landpixel, Lauber, NordWood Themes auf Unsplash