Im März 2025 hat sich eine „Taskforce Marktgärtnerei“ formiert, eine Denkfabrik mit aktuell rund 90 Mitgliedern aus Praxis, Beratung, Bildung, Forschung, Verwaltung, NGO, Marketing, Medien, Handel, Logistik und Zivilgesellschaft, die sich gemeinsam für eine nachhaltige, resiliente und zukunftsorientierte Gemüseversorgung in Österreich stark machen.

 

 

Vom VAÖ arbeitet Vorstandsmitglied Stefan Nimmervoll in der Gruppe Medien an der Entwicklung einer Kommunikationsstrategie mit. Initiiert von der GRAND FARM rund um Alfred Grand ist das Ziel der Taskforce die Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Marktgärtnerei.

 

 

Marktgärtnerei in Österreich – Ergebnisse aus drei Jahren Forschung
Die Marktgärtnerei ist ein kleinstrukturiertes, vielfältiges und hocheffizientes Produktionssystem zur regionalen Versorgung mit Gemüse. Es baut auf den Prinzipien der bio-regenerativen Landwirtschaft auf, nutzt direkte Vermarktungswege und ermöglicht so die Bewirtschaftung kleinster Flächen (meist rund 1000 m2 bis etwa 1 ha Anbaufläche) mit einer außergewöhnlich großen Vielfalt von mindestens 30 bis 40 verschiedenen Gemüse und Kräuterkulturen – meist im Vollerwerb.

 

 

Das Besondere: Marktgärtnereien beweisen, dass klein(st)strukturierte Landwirtschaft auf weniger (!) als einem Hektar Produktionsfläche auch heute noch wirtschaftlich erfolgreich sein kann. Durch die effiziente und vielfältige Bewirtschaftung überwiegend in Handarbeit soll eine möglichst hohe Produktivität erreicht und zugleich die Bodenfruchtbarkeit kontinuierlich verbessert werden. Mit dem bewussten Verzicht auf schweres und teures Gerät können die nötigen Startinvestitionen vergleichsweise niedrig gehalten werden.

 

 

Wissenschaftlich belastbare Zahlen zur Marktgärtnerei gab es für den mitteleuropäischen Kontext bisher kaum. Im Frühjahr 2022 wurde deshalb die Operationelle Gruppe (OG) Marktgärtnerei gegründet und hat bis Juni 2025 daran gearbeitet, die Marktgärtnerei in Österreich erstmals wissenschaftlich fundiert zu untersuchen. Den Kern der Gruppe bildeten sechs Marktgärtnereien aus drei Bundesländern, die mit Persönlichkeiten aus Forschung und Beratung in den drei Arbeitspaketen Gemüsebau, Betriebs- und Arbeitswirtschaft sowie Boden zusammenarbeiteten.

Die untersuchten Marktgärtnereien der OG bewirtschaften zwischen 3.200 und 9.600 m2 Brutto-Produktionsfläche, wovon zwischen 6 % und 22 % im geschützten Anbau liegen. für Betriebswirtschaft im Gartenbau, 2022).

 

 

Im Durchschnitt konnten auf den untersuchten Betrieben damit Erlöse von 13 € bis 21 € pro m2 Brutto-Produktionsfläche erzielt werden. Aufgerechnet auf einen Hektar ergibt das ein beachtliches Umsatzpotenzial von 130.000 bis 210.000 € pro Jahr.

Landwirtschaftliche Fördergelder spielen für die untersuchten Betriebe – und in der Marktgärtnerei generell – kaum eine Rolle; nur zwei der sechs Betriebe bezogen im Versuchszeitraum ÖPUL-Prämien, die aufgrund der kleinen Flächen weniger als 500 €/Jahr ausmachten.

Die Betriebsergebnisse waren allesamt positiv und betrugen – nach Abzug aller Kosten – zwischen 1.000 € und 39.700 €. Die untersuchten Marktgärtnereien waren also in der Lage, alle Kostenpositionen zu decken und auch ihre Faktorkosten (Arbeit, Boden, Kapital) entsprechend zu entlohnen. Allerdings entlohnten zwei der Betriebsleiter:innen ihre eigene Arbeit etwas unter dem Niveau des geltenden Kollektivvertrags.

 

 

In der Marktgärtnerei lassen sich tatsächlich wirtschaftlich interessante Ergebnisse erzielen. Goldgräberstimmung lässt sich aus den vorliegenden Untersuchungen aber nicht ableiten. Wie es eine teilnehmende Marktgärtnerin formulierte: „Man kann davon gut leben, aber reich wird man nicht.“ Besonders hervorzuheben ist aber, dass das Produktionssystem der Marktgärtnerei (meist mehrere) Einkommen auf sehr kleinen landwirtschaftlichen Flächen ohne (!) Agrarsubventionen ermöglicht, was in vielen Betriebssparten der Landwirtschaft sonst kaum mehr möglich ist.

Praxisguide Marktgärtnerei erschienen
Die wichtigsten Projektergebnisse der Operationellen Gruppe Marktgärtnerei wurden nun im Praxisguide Marktgärtnerei auf 150 Seiten für Praktiker:innen zusammengefasst. Hier sind außerdem die Portraits von über 40 Gemüsekulturen mit einzigartigen Anbautabellen für das ganze Jahr enthalten. Damit wird erstmals die komplexe Satzstaffelung im Laufe der Saison mit den wichtigsten Anbauzeitpunkten, der nach Jahreszeit unterschiedlichen Wachstumsdauer und den jeweiligen Erntezeiträumen für jede Gemüsekultur übersichtlich dargestellt.

Der Praxisguide steht ab sofort als PDF zum kostenlosen Download zu Verfügung und kann in gedruckter Form über den Verein Marktgärtnerei Österreich bestellt werden: https://speicher.bio-austria.at/index.php/s/AMzcxyRxPT6PT9b

 

Fotos: Johannes Pelleter OG Marktgärtnerei