Eine nahezu unerschöpfliche Quelle hochkarätiger Information für den Alltag einer Agrarjournalistin, eines Agrarjournalisten bildet die Österreichische Akademie der Wissenschaften bzw. die Webseite der Organisation.
Wer ist die ÖAW?
Die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) versteht sich als Österreichs zentrale außeruniversitäre Einrichtung für Wissenschaft und Forschung. Sie hat die gesetzliche Aufgabe, „die Wissenschaft in jeder Hinsicht zu fördern“. 1847 als Gelehrtengesellschaft gegründet, steht sie mit ihren heute über 760 Mitgliedern sowie rund 1.800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für innovative Grundlagenforschung, interdisziplinären Wissensaustausch und die Vermittlung neuer Erkenntnisse, mit dem Ziel zum wissenschaftlichen und gesamtgesellschaftlichen Fortschritt beizutragen.
Sie agiert nicht nur als „Stimme der Wissenschaft“ oder „Träger der Forschung“, so betreibt sie 26 Forschungsinstitute im Bereich der innovativen, anwendungsoffenen Grundlagenforschung in den Geistes-, Kultur-, Sozial- und Naturwissenschaften, sie tritt auch als „Förderer von Talenten“, unter anderem durch die Vergabe von Stipendien und Preisen und als „Vermittler von Wissen“ auf.
Anfragen und Recherche
Für an Wissenschaft und Forschung bzw. an den Ergebnissen interessierte Kolleginnen und Kollegen steht das Team Öffentlichkeit & Kommunikation als erster Ansprechpartner bei journalistischen und allgemeinen Anfragen zur ÖAW zur Verfügung.
Offener Brief zur „Grünen Gentechnik“
In jüngster Zeit fiel die ÖAW im Agrarbereich durch einen am 29. Juni 2023 veröffentlichten Appell „Offener Brief für eine wissenschaftsbasierte Beurteilung“ der Grünen Gentechnik auf.
Hier der Brief im vollen Wortlaut: https://www.oeaw.ac.at/news/gruene-gentechnik-offener-brief-fuer-eine-wissenschaftsbasierte-beurteilung
Grüne Gentechnik: Offener Brief für eine wissenschaftsbasierte Beurteilung
Österreichische Wissenschaftsinstitutionen appellieren: „Grüne Gentechnik vorurteilsfrei, aufgeschlossen und auf Basis wissenschaftlicher Evidenz bewerten“.
Freie Wissenschaften bilden die Grundlage für eine sozial gerechte, ökonomisch verträgliche und ökologisch nachhaltige Gesellschaft. Diesem Gedanken folgend erscheint es notwendig, die Grüne Gentechnik vorurteilsfrei, aufgeschlossen und auf Basis von wissenschaftlicher Evidenz zu bewerten.
NEUE EU-REGELUNG
Warum machen wir darauf aufmerksam? Im Europäischen Gentechnikrecht finden die neuen Methoden der Gen-Editierung bisher noch keine Berücksichtigung, daher wird die „Richtlinie 2001/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt“ zurzeit überarbeitet. Ein neuer Entwurf wird nach Abschluss wissenschaftlicher Studien und eines breiten Konsultationsprozesses in den kommenden Tagen erwartet.
Die Entwicklung der Gen-Editierung mit der „Genschere“ (CRISPR/Cas) ist ein Meilenstein der Wissenschaftsgeschichte. Emmanuelle Charpentier und Jennifer Doudna erhielten dafür 2020 den Nobelpreis für Chemie. Die Gen-Editierung basiert auf einem natürlichen molekularbiologischen Prinzip, bei dem bereits vorhandene Gene gezielt verändert werden. Ähnliche Veränderungen könnten auch durch konventionelle Züchtung auftreten, sind durch konventionelle Methoden jedoch wesentlich langsamer zu erreichen und müssten durch langwierige Auslese nach dem Prinzip von Versuch und Irrtum von gleichzeitig auftretenden ungewollten Veränderungen getrennt werden. Die Methode der Gen-Editierung ist also wesentlich schneller und gezielter als herkömmliche Verfahren.
Gen-Editierung ist ein hoch effizientes Werkzeug in der Forschung, da sie zum Verständnis der Genfunktionen beiträgt. Sie schafft neue Möglichkeiten bei der Heilung von Krankheiten, aber auch bei der Züchtung von Pflanzen, die produktiver, widerstandsfähiger, gesünder, verträglicher und an eine veränderte Umwelt angepasst sind. In fast 700 erforschten Beispielen in über 40 Pflanzenarten konnten durch die Gen-Editierung größere Schädlingsresistenzen, verbesserte Eiweiß- oder Fettsäurezusammensetzungen oder weniger unverträgliche Inhaltsstoffe erzielt werden. Weitere Züchtungsziele sind trocken- und hitzeresistentere Pflanzen mit weniger Bodenverbrauch und höherer Resilienz. Die Grüne Gentechnik kann also einen bedeutsamen Beitrag bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels und für eine nachhaltigere Landwirtschaft leisten. Daher ist es wichtig, keine unüberwindbaren Hürden für die Forschung, die Freilanderprobung und das Inverkehrbringen aufzubauen.
Unser Appell
Die Wissenschaft tritt dafür ein, Pflanzen nach Editierung ihrer eigenen Gene rechtlich mit den gleichen Verfahren wie bei der konventionellen Züchtung zu beurteilen. Die entstehenden Pflanzen sollen nach ihren Eigenschaften, nicht nach der Methode ihrer Erzeugung geprüft werden. Wir schließen uns den entsprechenden Empfehlungen der deutschen Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, des European Academies Science Advisory Council und der EU Initiative Sustainable Agriculture through Genome Editing an.
Unser Appell richtet sich an politische Entscheidungsträger:innen, Interessensvertretungen und NGOs: Eine ideologisch geführte Debatte schürt die Angst der Bürgerinnen und Bürger und spielt der Wissenschaftsfeindlichkeit in die Hände. Deshalb: Informieren Sie sich bei der Wissenschaft! Treten Sie mit den Expert:innen in einen Dialog ein, um die Fragen zur Gen-Editierung zu klären. Hören und prüfen Sie, was die Wissenschaft anzubieten hat, um eine fundierte Meinung zu bilden.
- Heinz Faßmann – Präsident ÖAW
- Sebastian Schütze – Rektor Universität Wien
- Christof Gattringer – Präsident FWF
- Veronika Sexl – Rektorin Universität Innsbruck
- Martin Hetzer – Präsident ISTA
- Joachim Reidl – Vizerektor Universität Graz
- Wolfgang Knoll – Geschäftsführer AIT
- Eva Schulev-Steindl – Rektorin Universität für Bodenkultur
- Jan-Michael Peters – Wiss. Direktor IMP
- Sabine Seidler – Rektorin TU Wien
Foto: ÖAW, Klaus Pichler/ÖAW, C. Pichler