Gerhard Poschacher, Agrarjournalist mit hochkarätiger Landwirtschaftsministeriums-Laufbahn und mit Sicherheit das weitaus älteste VAÖ-Mitglied, das noch regelmäßig publizistisch tätig ist, hat sich zum Erscheinen des Buches „Friedrich Zweigelt (1888-1964) – Wissenschaftler, Rebenzüchter, Nationalsozialist“ mit dem Werk und dem darin im Mittelpunkt stehenden Rebenzüchter Zweigelt samt all seinen hellen und dunklen Seiten intensiv beschäftigt.
Nachfolgend sein Text:
Buch „Friedrich Zweigelt – Wissenschaftler, Rebenzüchter und Nationalsozialist“
Mit Unterstützung der Österreichischen Weinmarketing-Gesellschaft (ÖWM) hat Dr. Daniel Deckers, verantwortlicher Redakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) und Lehrbeauftragter für die Geschichte des Weinbaus an der Hochschule Geisenheim (Rheingau), das bewegte persönliche, wissenschaftliche und politische Leben mit vielen Dokumenten und Quellen sowie Zeitzeugen-Gesprächen aufgearbeitet. Das Buch „Friedrich Zweigelt – Wissenschaftler, Rebenzüchter und Nationalsozialist“ (Daniel Deckers: „Friedrich Zweigelt (1888-1964) – Wissenschaftler, Rebenzüchter, Nationalsozialist“, Böhlau Verlag. 196 Seiten, 36 Euro) ist eine vorzügliche Publikation über die Geschichte des Weinbaus von der Monarchie bis in die Gegenwart einschließlich der NS-Zeit in Österreich als dunkelste Epoche im 20. Jahrhundert.
Zweigelt: Auf mehr als 6000 Hektar
Österreich ist ein Land der Weißweintrinker, aber die Liebhaber des Roten kommen auch nicht zu kurz. Insgesamt beträgt die Weingartenfläche 42.300 Hektar, die Gesamternte betrug 2022 rund 2,46 Millionen Hektoliter. Auf den Weißwein entfallen 70%, der Rotwein macht von der Gesamternte 30% aus, im Burgenland, einem klassischen Anbaugebiet, 58%.
Rotwein-Liebhaber schätzen besonders die Sorte „Zweigelt“, die 100 Jahre nach ihrer Züchtung die beliebteste und bekannteste in Österreich ist und auf einer Fläche von mehr als 6000 Hektar angebaut wird. In der Regel wissen nur Weinliebhaber und Agrarhistoriker darüber Bescheid, wer mit der Sorte Zweigelt (Rotburger) in Verbindung zu bringen ist.
Friedrich Zweigelt, promovierter Biologe
Friedrich Zweigelt, 1888 in Hitzendorf bei Graz geboren, zählte zwischen 1921 und 1945 zu den bedeutendsten Weinfachleuten. Im Jahre 1972 wurde der Name Zweigelt-Rebe in das „Sortenverzeichnis für Qualitätsweine“ aufgenommen. Züchter war Friedrich Zweigelt (1888 bis 1964) und während der NS-Zeit von 1938 bis 1945 Direktor der Höheren Bundesanstalt für Wein-und Obstbau in Klosterneuburg. In Deutschland wurde die auf Friedrich Zweigelt und seinen Assistenten Paul Steingruber zurückgehende Neuzüchtung erstmals mit dem Namen „Zweigeltrebe“ in den 1960er Jahren angebaut. Die berühmte Rotweinsorte ist eine Kreuzung zwischen Blaufränkisch und St. Laurent, die als Marke der Lehr- und Forschungsanstalt für Wein-und Obstbau gehört. Friedrich Zweigelt, promovierter Biologe (Botanik, Zoologie), hat schon mit 24 Jahren von 1912 an in Klosterneuburg Fuß gefasst und sich während seiner Tätigkeit große Verdienste mit einer vielfältigen publizistischen Tätigkeit, vor allem als Schriftleiter der Zeitschrift „Das Weinland“, erworben. Seine Leistungen als Wissenschaftler und Rebenzüchter sind aber als überzeugter Anhänger der NS-Ideologie getrübt, was 1945 zu einer Anklage (Hochverrat) führte.
Karl Renner, erster sozialdemokratischer Bundespräsident in der Zweiten Republik von 1945 bis 1950, ordnete am 10. Juli 1948 an, das gegen Dr. Friedrich Zweigelt beim Volksgericht Wien anhängige Strafverfahren einzustellen. Ein Entschädigungsanspruch wurde ihm nicht zuerkannt, eine Rückkehr in die Bundeslehranstalt wurde nicht mehr möglich. Zu seinem Nachfolger ernannte das Landwirtschaftsministerium 1946 Emil Planckh. Friedrich Zweigelt wurde am 31. Oktober 1948 in den Ruhestand versetzt und hat sich als überzeugter Nationalsozialist Bediensteten der Bundesanstalt gegenüber wenig freundlich verhalten, moralische Schuld auf sich geladen und missliebige Lehrkräfte von der Schule verbannt. Nach 1945 lebte Friedrich Zweigelt zurückgezogen in Graz, war als Konsulent für die Futtermittelfirma Hans Tagger tätig und starb am 18. September 1964.
Mehrfach wurde von Historikern und verschiedenen politischen Gruppen gefordert, die mittlerweile international etablierte und bekannte Rotweinsorte „Zweigelt“ anders zu benennen, z.B. „Blauer Österreicher“. Dieses Ansinnen ist bisher am Widerstand der zuständigen Bundesanstalt und Weinbranche gescheitert.
Zweigelt: Weitere Kreuzungen
Unbestritten bleibt aber, dass er sich als Rebenzüchter und in Zusammenarbeit mit bedeutenden Weinpionieren, z.B. Lenz Moser in der niederösterreichischen Wachau, großes fachliches Ansehen erworben hat. Seine Arbeiten über Rebenzüchtungen, Gallenlaus-Problem, über die Direktträgerfrage und die Schädlingsbekämpfung im Weinbau erlangten internationale Bedeutung und waren wegweisend für diesen wichtigen landwirtschaftlichen Produktionszweig, nicht nur in Österreich. Neben der bekannten Rotweinsorte kreuzte Zweigelt erfolgreich auch Welschriesling und Orangetraube, seit 1978 als „Goldburger“ im Rebensortenverzeichnis, ebenso ist die Kreuzung zwischen Blauer Portugieser und Blaufränkisch, als „Blauburger“ bekannt.
Höhere Bundeslehr-und Versuchsanstalt Klosterneuburg
Die 1860 als erste österreichische Wein-und Obstbauschule in Klosterneuburg gegründete Lehranstalt wurde 1956 nach der Ausgliederung des Gartenbausektors in die Höhere Bundeslehr-und Versuchsanstalt umgewandelt und die Ausbildungszeit mit Matura 1967 von vier auf fünf Jahre verlängert. Ab 1994 lautet der offizielle Name Höhere Bundeslehranstalt und Bundesamt für Wein-und Obstbau. Sie bietet heute den Schülerinnen und Schülern ein umfassendes allgemeines sowie fachliches Wissensangebot, nicht nur in den Bereichen Wein-und Obstbau, sondern auch in der Biologie, Technologie, Betriebswirtschaft, Marketing und Sprachen.
Fotos: Kultur Klosterneuburg (http://www.kultur-klosterneuburg.at), LK NÖ, Böhlau Verlag, Kalcher