VAÖ-Kollege Alois Leidwein war im November 2024 auf einer Studienreise in Kuba. Der Beitrag und die Bilder (weitere Fotos beim Autor erhältlich) können zur Gänze oder auszugsweise, mit Verweis auf den Volltext auf https://www.agrarjournalisten.at/ honorarfrei abgedruckt werden.

 

Bauern trocknen Reis auf der Autobahn (siehe gelblicher Streifen)

 

Hier sein Bericht:

Autofreie Innenstädte, kaum KFZ-Verkehr in Vorstädten, auf Landstraßen und Autobahnen, eine Landwirtschaft ohne Düngemittel und Pestizide, die Bevölkerung ernährt sich überwiegend pflanzlich, kaum Kriminalität, keine Sozialversicherungsbeiträge bei flächendeckender ärztlicher Versorgung, Steuern zahlen nur Unternehmer, Bildung für alle, keine Mieten – also ein öko-sozialistisches Paradies?

 

Private Marktstände in Havanna

 

Das Problem: der Ökologismus ist die Folge einer Mangelwirtschaft. Der soziale Zusammenhalt ist einer Schattenwirtschaft gewichen, die an den Trinkgeldern der Touristen und den Überweisungen der Exilkubaner hängt. Die Landwirtschaft ist im Niedergang. Mittlerweile importiert die Zuckerinsel Kuba sogar Zucker.

Benzin und Diesel sind rationiert und für Normalverbraucher unerschwinglich. Lebensmittel zu erschwinglichen Preisen gibt es nur rationiert in bestimmten Geschäften mittels Bezugskarte. Dafür muss man sich anstellen. Wenn die Ware aus ist, hat man Pech. Kubaner verbringen viel Zeit mit Schlange stehen.

 

Brotverkauf auf der Straße

 

Oldtimer fahren in Havanna und das Touristen-Ghetto Varadero sind nicht das wahre Kuba. Darüber hinaus kann man sich jetzt am “freien Markt” versorgen. Der staatliche Monatslohn eines Akademikers liegt ggw. bei 15 $ pro Monat (4500 CuP), der eines Arztes bei 20 $ pro Monat (6000 CuP). Die staatliche Pension beträgt rund 5 $ pro Monat. 30 Eier kosten hingegen ggw 11 $ (3300 CuP). Schweinfleisch mit rund 2,2 $/kg (650 CuP) und Kichererbsen mit rund 1,2 $ (350 CuP) sind da vergleichsweise günstig.

Stromabschaltungen
Kubaner verbringen auch viel Zeit mit auf Strom warten. Strom wird regelmäßig abgeschaltet. In Havanna und Varadero gibt es meist ganztägig Strom. Selbst wenn der Strom mal ausfällt, internationale Hotels haben in der Regel Notstromaggregate und ganztägig Strom (Umrechnung CuP – $ zum tatsächlichen und nicht zum staatlichen Wechselkurs).

 

Anstellen für Brot

 

Bei einer Unterkunft ohne Notstromaggregat ist man den täglichen Abschaltplänen ausgeliefert. In Zentral- und Ostkuba gibt es Pläne mit 4- bis 5-stündigen Time-Slots für Strombezug. Leider werden sie nicht eingehalten. In unserem Hotel in Camagüey gab‘s statt Strom zwischen 16:00 und 21.00 nur zwischen 1:30 und 5:00. Ohne Strom gibt es – weil die Wasserpumpen nicht funktionieren – auch kein Wasser. Klospülungen gehen damit nach der Stromabschaltung auch nur einmal. Wer die Möglichkeit hat, errichtet einen Wasserspeicher am Dach, der einmal am Tag vollgepumpt wird. Es gibt damit auch keine funktionierenden Kühlketten.

Der PKW-Bestand stammt überwiegend aus den 50-igern, ergänzt durch russische PKW der Marke Lada aus den 80-igern und neueren Taxis chinesischer Provenienz. Am Land dominieren Pferde-Fuhrwerke, in den Städten Lastenfahrräder. Es gibt zwar Schulen am Land, aber keine Schulbusse. Kubanische „Helikopter“-Eltern holen die Kinder mit den Pferdekutschen von der Schule ab.

Jungärzte müssen nach Studienabschluss für zwei Jahre in eine Dorfpraxis. Die medizinische Versorgung ist zwar kostenlos. Es mangelt aber an Arzneimitteln und Medizinprodukten. Rettungsfahrzeuge kommen nicht, weil es keinen Treibstoff oder keine Fahrer gibt. Es kommt vor, dass im Krankenhaus zwar Infusionen, aber keine Nadeln vorhanden sind. Es kommt vor, dass Patienten mit Bluthochdruck alle drei Wochen ein neues Medikament bekommen. Es werden in Kuba zwar Arzneimittel, wie Aspirin, produziert, sie sind aber nicht vor Ort erhältlich.

 

Eltern holen Kinder von der Schule ab

 

Die kubanische „Erfolgsgeschichte“ kurz zusammengefasst:

 

Eine kurze Wirtschaftsgeschichte – zwischen reiner kommunistischer Ideologie und Pragmatismus
Kuba gehörte vor der Revolution zu den reicheren Ländern Lateinamerikas. Die Bauten aus der Kolonialzeit, der kubanischen Republik bzw. der Diktaturen und die zahlreichen Oldtimer aus den 50-igern zeugen davon. Haupteinnahmequelle war der Zuckerexport. Die Einkommensverteilung war so wie in den meisten Ländern Lateinamerikas stark ungleich.

Die kubanischen Regierungen ab Mitte der 1940er Jahre galten aber als extrem korrupt. Die kubanische Revolution 1959 war auch deswegen erfolgreich, weil, als sich Korruption und der Einfluss der US-amerikanischen Mafia ausweitete, Fidel Castro und seine Kampfgenossen von Bürgerlichen und Superreichen, wie der Familie Barcardi, unterstützt wurde. Als Dank wurden sie sofort nach der Revolution enteignet.

Die kubanische Wirtschaft wurde ab 1959 auf Basis der Theorien von Che Guevara umgestaltet. Che Guevara wollte einen „neuen Menschen“ schaffen wollte, der nicht mehr individuellen, egoistischen Zielen nachhängt, sondern seine ganze Kraft in den Dienst der Gesellschaft stellt.

 

Blick in eine Apotheke

 

Ziel war es, parallel zum Aufbau der neuen, sozialistischen Wirtschaftsweise, die Menschen umzuerziehen und die Bewusstseinsebene der Menschen zu verändern. Das neue Bewusstsein der Menschen sollte den materiellen Anreiz überflüssig machen. An dessen Stelle tritt der moralische Anreiz. Die Erfüllung der vom Plan vorgegebenen Arbeitsnormen wird so zur moralischen Pflicht des Arbeiters gegenüber der Gesellschaft.

Von der linken Avantgarde wurden diese Ideen in 60-igern begeistert aufgenommen. Che Guevara gilt in der linken Szene, obwohl er eigentlich ein Chauvinist und Mörder aus politischer Überzeugung war, als Idol, wenn nicht als Heiliger des Sozialismus. Der Absatz von Che Guevara Devotionalien und sogar ein Denkmal in Wien zeugen davon.

In den nunmehr verstaatlichten Unternehmen wurde ein egalitärer Lohn ausbezahlt. Er war nicht mehr abhängig von Qualität und Quantität der geleisteten Arbeit. Auch die Höhe der Qualifikation spielte kaum noch eine Rolle. Materielle Anreize galten, ganz im Sinne Che Guevaras, als „kapitalistisch“. Jeder verdient das Gleiche, egal, welche Arbeit er verrichtete; mit agrarischen Worten: „eine arbeits- und sozialrechtliche Monokultur“. Obwohl der kubanische Sozialismus anfangs mit dem Aufbau eines einigermaßen effizienten Bildungs- und Gesundheitssystems und der Abschaffung von Einkommensunterschieden Erfolge hatte, wurden bald die systematischen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Probleme des Kommunismus sichtbar: ein starkes Absinken der Arbeitsproduktivität und laufende Versorgungskrisen.

1959 betrug das Pro-Kopf-Einkommen (BIP pro Kopf) von Kuba 31 % des BIP pro Kopf von Österreich und 59 % des von Spanien. 2022 lag das kubanische BIP pro Kopf nur bei 17 % des österreichischen und 22 % des spanischen Werts. Das heutige kubanische BIP pro Kopf entspricht dem österreichischen Wert aus 1954.

 

Gaststätte am Land

 

Seit 1960: Wechselspiel aus Zentralisierung, Lenkung und Umverteilung, gefolgt von einer gewissen Liberalisierung, wenn die Versorgung wieder zusammenzubrechen droht.

In zwei Agrarreformen wurden 1959 zuerst die Großgrundbesitzer und 1963 dann die mittelständischen Bauern enteignet. Damit einher ging die Zerstörung der Produktions- und Handelsstrukturen. 1968 wurden sämtliche selbständige Tätigkeiten und Handwerke verboten. Die radikale Planwirtschaft mündete Ende der 60-iger Jahre in einer veritablen Wirtschaftskrise.

Mit der Übernahme des sowjetischen Wirtschaftsmodells Anfang der 70-iger Jahre, das bis zu einem gewissen Ausmaß auch Leistungen honorierte, stabilisierte sich Kubas Wirtschaft wieder. Die Sowjetunion stütze zudem die kubanische Wirtschaft durch Abnahme von Zucker und Nickel, auch im Tausch gegen Erdöl. Kuba wickelte 85 % des Außenhandels mit den damaligen kommunistischen Bruderstaaten ab. Mit dem Zusammenbruch des Sowjetimperiums 1989 verlor Kuba 3/4 seiner Märkte.

 

Ochsengespann am Weg zum Feld

 

1986 wurde das bisher praktizierte sowjetische Wirtschaftsmodell als „ökonomistisch und merkantilistisch“ kritisiert. Marktorientierte Lösungen und betriebliche Autonomie wurden wieder beschränkt. Man setzte wieder auf die ideologischen Konzepte Che Guevaras und seinen „Neuen Menschen“. Freie Bauernmärkte wurden wegen angeblicher „neokapitalistischer Systemzersetzung“ verboten. Auch das im geringen Maße vorhandene Kleingewerbe wurde stark reduziert. Zwischen 1989 und 1993 wurden bis auf Subsistenzwirtschaften alle verbliebenen kleinbäuerlichen Betriebe verstaatlicht.

Der Zusammenbruch des Sowjetimperiums erforderte dann wieder andere Maßnahmen: 1990 rief Fidel Castro die „Friedenszeiten“ aus, ein der „Kriegswirtschaft mit zentralem Kommando und totaler Rationierung“ gleichendem Notstandsprogramm ohne größere Kompromisse hinsichtlich einer Marktwirtschaft. 1992 wurde der US-Dollar als Zweitwährung zugelassen, Privateigentum war wieder legal, um Joint Ventures mit ausländischen Unternehmen zu ermöglichen. Der Tourismus wurde als Devisenbringer forciert. 1993 wurden als Folge der Wirtschaftskrise wieder selbständige Berufe zugelassen.

Ende der 1990-er Jahre wurde hingegen wieder versucht, die neu entstandene Privatwirtschaft Dank Unterstützung der links-autoritären Regierung Venezuelas unter Hugo Chaves drastisch einzuschränken. Venezuela lieferte dem befreundeten Staat auch wieder Öl (wenn auch in Abgleich gegen das Verleasen von kubanischen Ärzten).

2008 wurde nun unter der Regierung von Raul Castro, der seinem Bruder Fidel nachgefolgt war, angesichts der dauernden Wirtschaftskrise wieder liberalisiert.

 

Pflügen mit Ochsengespann

 

Um „gesellschaftliche Deformationen“ durch den wachsenden Wohlstand der neuen Selbständigen und Bauern zu vermeiden, d.h., um zu verhindern, dass eine neue Klasse von Reichen entsteht, reguliert der Staat und beschränken vor allem die roten Kader vor Ort die private Geschäftstätigkeit. Das Schüren von Neid, sozialistische Kampfparolen und eine andauernde Kriegsrhetorik gegen den Kapitalismus, Millionäre und die USA und die Huldigung der ruhmreichen Revolutionäre sind Stilmittel, die einem überall begegnen. Parolen, wie „Tod oder Vaterland“ oder „Die Revolution wird siegen“, „immer zum Sieg“ sind allgegenwärtig. Das Denkmal für Che Guevara, dem Heiligen des Sozialismus, in Santa Clara, kann mit jedem katholischen Wallfahrtsort mithalten. Unter seiner überdimensionalen Statue befinden sich seine Reliquien und eine „Schatzkammer“ mit seinen Waffen.

Die wichtigsten Deviseneinnahmen Kubas stammen aus dem Tourismus, Export von Zigarren, Rum und dem Verleasen von Ärzten. So verrechnete Kuba Venezuela 2010 monatlich 8000 € pro Arzt. Der Arzt bekam davon 300 $, die zudem zum Großteil erst nach der Rückkehr nach Kuba zur Verfügung standen.

Venezuelas links-autoritäres Regime ist nach wie vor der größte Unterstützer Kubas. Wichtigster Investor ist der kommunistische Bruderstaat Vietnam. Unterstützung kommt seit kurzem auch wieder von der neuen links-radikalen Regierung Brasiliens.

 

Theater in Cienfuegos

 

Wohnen und Infrastruktur
Seit der Revolution sind die Kubaner funktionell Eigentümer ihrer Wohnungen und Häuser. Früher wurden bei Bedarf neue Wohnungen nach sozialen Kriterien, bei Wohlverhalten zugeteilt. Man durfte sie aber immer „vererben“. Neuerdings darf man sie auch verkaufen. Es gibt keine Mieten. Der Häuserbestand ist allerdings stark überaltert und teilweise sehr desolat. Der Großteil der Wohnbauten stammt aus der Kolonialzeit, der Zeit der Republik und der rechten Diktaturen. Der Zustand der wenigen Plattenbauten aus der sowjetischen Zeit entspricht deren Bauweise. Es gibt aber allerdings kaum Bau- oder Installationsmaterial. Bei Mehrfamilienhäusern stellt sich, wie überall bei Gemeinschaftseigentum, die Frage der Verantwortlichkeit für die Instandhaltung.

Das kubanische Straßennetz stammt überwiegend aus der „vorrevolutionären Zeit“. Die einzige Autobahn A1 wurde in den 70-iger Jahren mit sowjetischer Unterstützung zu bauen begonnen, aber nicht fertiggestellt. Fahren bei Nacht ist auch auf der Autobahn nicht nur wegen der Schlaglöcher ein Risiko, sondern auch wegen unbeleuchteter Pferdefuhrwerke und verirrter Rinder. Die Autobahn wird auf Strecken ohne Schlaglöcher von Bauern auch zum Trocknen von Reis genützt.

Das Eisenbahnnetz, das schon im 19. Jahrhundert für die Zuckerrohrproduktion flächendeckend aufgebaut wurde, ist desolat und weitergehend stillgelegt. Kubaner meiden die Bahn.

Die Energieversorgung Kubas hängt, sowohl Strom als auch Mobilität, wenn man von tierischer Zugkraft absieht, am Erdöl aus Venezuela. Vorteil der Länder des Südens ist, dass sie keine Heizenergie benötigen. In Österreich macht der Heizbedarf der Haushalte alleine rund 20 % des Gesamtenergieverbrauchs und damit des CO2-Outputs aus. Solar- und Windenergie hätten ein Potential, es fehlen aber nicht nur die Netze, sondern auch die Unternehmen.

Landwirtschaft
Die landwirtschaftlich nutzbare Fläche Kubas beträgt rund 6,4 mio ha. Darauf entfallen je rund 2,9 mio ha auch Ackerland und Grünland und 0,6 mio ha auf Dauerkulturen. 2008 lagen in Kuba 51 % des kultivierbaren Bodens brach oder wurden mangelhaft bewirtschaftet.

Der Niedergang der kubanischen Landwirtschaft ist ein Zusammenwirken aus mehreren Faktoren: Vorab Misswirtschaft und sinkende Arbeitsproduktivität. Die Planung der Kooperativen wird zentral von Havanna gesteuert. Es gibt planwirtschaftliche Produktionsverpflichtungen (die nie erreicht wurden) und Zuteilungen von Produktionsmitteln. Es soll auch vorgekommen sein, dass eine Kooperative Traktoren zugeteilt bekam, aber weder ausreichend Treibstoff noch passende Geräte dazu hatte. Die Nichtbewirtschaftung und Verbuschung von Flächen ist eine Folge des Mangels an Treibstoff, Ersatzteilen und geeigneten Maschinen. Das Sinken der Hektarerträge und die Qualitätsmängel sind eine Folge des Mangels an Dünge- und Pflanzenschutzmitteln.

 

Agroforstsystem in Kuba

 

Um dem entgegenzuwirken, wurden seit 2011 von den Genossenschaften rund 1,1 mio ha wieder an Bauern verpachtet. Bei der Erstzuteilung konnte ein Bauer 26,84 ha pachten. Familienbetriebe können bis auf 67,1 ha erweitern. Die typische Betriebsgröße einer Kooperative liegt jetzt um die 10.000 ha. Bauern müssen rund 80 % der Produktion an den Staat zu festgelegten Preisen abgeben, Den Rest dürfen sie selbst verkaufen. Die Versorgungslage dürfte damit etwas stabilisiert worden sein. Von den bäuerlichen Betrieben werden vorwiegend Bohnen, Mais, Maniok, Süßkartoffel, Kochbananen, Gurken, Kürbisse und Melonen erzeugt. Es wird aber kaum Viehzucht betrieben. Der Verkauf von Rind- und Pferdefleisch, Milch und Milchprodukten ist für Bauern beschränkt.

Dennoch liegen große Flächen brach. 2022 wurden von 3,5 mio ha Acker- und Dauerkulturflächen nur 1 mio ha (30 %) effektiv bewirtschaftet. Dem  Augenschein nach lagen 2024 80 % der Flächen brach oder verwilderten. Der Treibstoffmangel hat die kubanischen Landwirtschaft in ein Stadium der vor-industriellen Landwirtschaft zurückgeworfen. Für eine vor-industrielle, auf tierischer Zugkraft und manueller Arbeitskraft beruhende Landwirtschaft fehlen aber schlichtweg die Arbeitskräfte. In nicht-industriellen Agrarsystemen arbeiten typischerweise rund 60 % bis 70 % der Erwerbstätigen in der Landwirtschaft.

Auch wenn für Landarbeiter ggw Löhne von 2 $/Tag bezahlt werden (das Doppelte eines Arztbezuges) findet man auch in Kuba – so wie in den OECD-Staaten – kaum noch Leute, die sich harte manuelle Arbeit antun wollen. Der Anteil der Erwerbstätigen in der Landwirtschaft dürfte schon unter 10 % gesunken sein. Es gibt zwar ein gewisses Zurück in die Landwirtschaft. Vielen Neubauern fehlt es allerdings an fachlichem Wissen. Die Zahl der Landwirtschaftsrückkehrer und -einsteiger reicht nicht aus, um die fehlende Mechanisierung zu ersetzen.

 

 

Das Transportmittel am Land sind Pferdegespanne. Gepflügt wird teils mit Ochsengespannen. Die wenigen Traktoren und LKW sind meist russischer Herkunft und nicht unbedingt Stand der Technik. Zuckerrohr wird wieder wie in der vorrevolutionären Zeit mit Macheten geerntet. Wird Heu für die Pferde benötigt, wird das Gras gleichfalls mit Macheten geschnitten. Viele Äcker werden ob des Treibstoffmangels nur mehr beweidet.

 

Zuckerrohr wird wieder händisch geerntet. Vor der Ernte wird das Zuckerrohr, um den Arbeitenden die Arbeit zu erleichtern zwecks Entfernen unnötiger Blätter abgebrannt. Für die Lungen ist das Schneiden des verkohlten Zuckerrohrs weniger günstig.

 

Weiden und Grünland wachsen rasant zu. Das problematischste „Weideunholz“ ist Dichrostachys cinerea (Marabu), ein invasiver schnellwüchsiger, dorniger und laubabwerfender Strauch. Die Kubaner nutzen ihn mittlerweile auch für die Produktion von Holzkohle. Die problematischsten Schädlinge im Ackerbau und bei Sonderkulturen sind Blattläuse und Thripse.

Schweine- und Geflügelställe der Kooperativen stehen teils wegen Futtermangels leer. Hühner findet man um ländliche Gaststätten jedoch zuhauf. Die werden bei Bedarf „frisch“ zubereitet.

Es kann auch vorkommen, dass während der Trockenzeit im Winter die Rinder auf den Weiden der Staatsbetriebe und Kooperativen verhungern, weil das Futter nicht reicht und kein Heu gemacht wurde.

 

 

Von öko-naiven Autoren wird der Niedergang der kubanischen Landwirtschaft gerne als ökologische Wende und erfolgreiche Renaturierung beschrieben. Es mangelt jedoch auch an organischen Düngern und an in der Bio-Landwirtschaft üblichen Pestiziden. Mit 5 % Leguminosenanteil (Bohnen) in der Fruchtfolge ist ein nachhaltiges Stickstoffmanagement auch nicht möglich. Ohne Rinderhaltung wäre das Nährstoffmanko noch drastischer. Kuba produziert zwar auch natürliche Pyrethroide. Deren Verfügbarkeit ist aber auch begrenzt. Kuba exportiert sie, um Devisen zu bekommen.

Ernährung
Die Lebensmittelimportquote wird bei rund 80 % liegen. Mittlerweile wird sogar Zucker importiert. In den besten Zeiten produzierte Kuba rund 8,5 mio to Zucker und exportierte davon 7 mio to. 2022 lag die Produktion nur bei 1 mio to Rohrzucker. Von früher 156 Zuckerfabriken sind nur mehr 13 übrig. Raffinierter Zucker wird schon seit 2015 teils importiert. 2024 betrug der Zuckerimport angeblich schon 0,5 mio to.

Milch ist in Kuba, wohl auch weil es keine funktionierenden Kühlketten gibt, Mangelware. Es gibt eigentlich nur Milchpulver für Kleinkinder auf Bezugskarten und für Touristen importierte Instantmilch für den Frühstückskaffee.

Dabei hätte Kuba von der Fläche und der Fruchtbarkeit der Böden her das Potential, 18 mio Menschen und nicht nur die rund 11 mio 2022 bzw. die 2024 verbliebenen 9,8 mio zu ernähren.

Mangelnde Qualität stellt in einer Mangelwirtschaft kein Problem für die Vermarktung dar, solange die Waren noch einigermaßen verwertbar sind. An Exporte ist jedoch nicht zu denken.

Die Kubaner essen vor allem Reis mit Bohnen. Der Durchschnittsverbrauch an Reis pro Monat beträgt 9 kg. Reis wird vorwiegend aus Vietnam importiert. Regional werden Maniok , Kochbananen , Süßkartoffel und Malanga produziert.

 

 

Bei Obst und Gemüse gibt es nur Saisonales. Im November waren dies Guaven. Die hatten wir 3 mal am Tag für 2 Wochen, als Ganzes oder als Saft.

Die kubanischen Lebensmittelbezugskarten erinnern etwas an zeitgeistige Ernährungspyramiden. Die Bezugsmengen decken oft nur 1/3 des tatsächlichen Verbrauchs. Aber nicht einmal das ist alles jederzeit verfügbar.

Bezug Lebensmittel und Hygieneartikel im November 2024 pro Person und Monat

 

Man kann sich natürlich auf den Bauernmärkten eindecken, wenn etwas verfügbar ist.

In Camaguay betreibt Kuba-Sepp, ein vor rund 25 Jahren ausgewanderter Innviertler, die „Casa Austria“, ein österreichisches Wirtshaus. Die Schnitzel und das Gulasch waren herrlich. Wir mussten nur drei Tage vorab vorbestellen. Fleisch einkaufen ist nicht so einfach. Den Strudel hat er um 3 Uhr morgens zubereitet. Strom gab es nämlich an dem Tag in dem Stadtviertel nur ab 1:00 bis 5:00. Untertags kann man sich mit Batterie und Wandler einige Zeit darüberretten. Fürs Backen braucht man aber mehr Leistungsstrom.

 

Casa Austria: Camaguay, calle Lugareno 121;

PS: Auch in Trinidad/Kuba wurde vom SalmBräu eine Brauerei errichtet.

 

Sicherheit
Kuba ist ein sicheres Land. Die Kriminalitätsrate ist niedrig. Die Staatssicherheit wacht über alles, auch über den Mailverkehr und das Internet. Solange man sich politisch korrekt verhält, darf man auch murren. Echte Opposition wird nicht geduldet. Die Leute stimmen aber mit den Füßen ab.

Touristen bekommen während ihres Aufenthaltes selbst für W-Lan im Hotel eigene Mailadressen zugeteilt. Die Staatssicherheit liest mit. Der Autor dieses Beitrags hat während seines Kuba-Aufenthaltes über WhatsApp Bilder und kritische Kommentare verschickt. Einen Tag später bekamen einige Freunde und Bekannte (so auch der VAÖ-Ehrenpräsident) aus meinen WhatsApp-Kontakten ein Foto, das ich zwar gemacht habe, doch wurde es ohne mein Wissen geteilt. Es wurden auch Mails an mich geblockt. Nach einer Nachfrage kamen sie gleich 4-mal.

Die Zukunft?
Die Kubaner sind verhältnismäßig gut ausgebildet. Von den jüngeren verlässt, wer kann, das Land. Seit 2020 haben 1,3 Mio. Kubaner das Land verlassen (= 11 % der Bevölkerung). Zielländer sind die USA, wo seit den 60-igern eine große Community von Exilkubanern lebt. Spanien gewährt allen Kubanern, die nachweisen können, dass ein Großelternteil aus Spanien nach Kuba emigriert ist, die spanische Staatsbürgerschaft und damit die EU-Bürgerschaft. Es emigrieren nicht die 60-jährigen Kubaner, die auf einmal EU-Bürger sind, sondern deren Kinder und Enkel, die keine Zukunft im kommunistischen Kuba sehen. Spanien füllt den Arbeitsmarkt mit jungen leistungswilligen gut ausgebildeten Leuten.

Meines Erachtens steht der Kuba kurz vor der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Implosion. Es ist traurig zu sehen, wie ein reiches Land durch die Kommunisten herunterwirtschaftet wurde.

 

Eine von 13 der ursprünglich 156 Zuckerfabriken des Landes

 

Es ist erstaunlich, dass der Kommunismus auch in der österreichischen Öffentlichkeit nicht mehr hinterfragt wird. Im Gegenteil, Desavouierung von Leistungsträgern und politisch Andersdenkenden, Gleichmacherei, Bevormundung und Umerziehung (im Neudeutsch Nudging) sind augenscheinlich nicht nur in linksautoritären Staaten, sondern auch in Europa en vogue. Dabei ist Sozialismus eigentlich das Gegenteil von sozialer und gesellschaftlicher Biodiversität.

Solange Fidel Castro lebte, hielt er den Staat und die Gesellschaft durch sein Charisma und seine Kampfrhetorik, wenn auch unterstützt durch Repression, zusammen. Der kommende US-Außenminister Marco Rubio ist der Sohn von vor den Kommunisten geflüchteten Kubanern. Es wird interessant.

Fidel Castro wurde als uneheliches Kind eines Großgrundbesitzer in Ostkuba geboren, Er wurde katholisch erzogen und war studierter Jurist. Seine Mutter heiratete nach dem Tod der ersten Frau von Castros Vater diesen und erbte später die Zuckerohrplantagen. Sie wurde, wie alle Plantagenbesitzer, nach der Revolution enteignet.

Che Guevara stammte aus einer betuchten argentinischen Familie, war Arzt und fundamentaler Kommunist. Dass Che Guevara während der Kämpfe Verräter, Deserteure und Gefangene standrechtlich hinrichten, nach der Revolution „Konterrevolutionäre“ ohne rechtliche Grundlage erschießen ließ – er griff in seinem revolutionären Eifer hierbei auch selbst zur Waffe – und Arbeitslager für diejenigen verhängte, die gegen die „revolutionäre Moral“ verstoßen hätten (darunter auch Homosexuelle), wird geflissentlich übersehen.

Verwendete Quellen:

 

 

Kollege Alois Leidwein war im November 2024 auf einer Studienreise in Kuba.


Beitrag und Bilder können zur Gänze oder auszugsweise, auch mit Verweis auf den Volltext auf https://www.agrarjournalisten.at/ honorarfrei abgedruckt werden.

 

Für Nachfragen:
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