Das „Forum Ernährung heute“ veranstaltete ein Symposium zum Thema Qualität und Wertschätzung von Lebensmitteln.

Expertinnen und Experten, darunter VAÖ-Mitglied Christina Mutenthaler, AMA-Marketing, forderten dabei Ernährungsbildung, mehr Transparenz und sachlichen Dialog, um Konsumentinnen und Konsumenten eine selbstbewusste Lebensmittelwahl zu ermöglichen.

 

 

Ernährungsbildung als Grundlage
„Ernährungsbildung ist die Grundlage für eine entdeckerische Annäherung an die Ernährung, die Wertschätzung und die Qualität von Lebensmitteln“, so Marlies Gruber, Geschäftsführerin des forum. ernährung heute (f.eh) beim Symposium. „Mit Veranstaltungen wie dieser will das f.eh den Dialog über qualitatives Essen versachlichen und einen Diskurs mit unterschiedlichen Perspektiven über eine umfassende Aufklärung und Information der Verbraucher anstoßen. Daraus abgeleitete Maßnahmen sollen zu einem höheren Qualitätsbewusstsein und zu mehr Wertschätzung führen“, so Marlies Gruber.

Was ist Qualität? Und was nicht?
Dirk Hohnsträter, Kulturwissenschaftler an der Universität Hildesheim, räumt mit Missverständnissen auf: Vorurteile liegen etwa Zeit und Raum betreffend vor. So nennt er die Verklärung der Vergangenheit und der Herkunft. Auch sei der Qualitätsnationalismus ein Pauschalurteil aufgrund von geografischer Nähe und somit kein gutes Qualitätsmerkmal. Wichtiger als die Herkunft sei die Transparenz. Hinzu kommen die Annahmen, Qualität wäre nicht für jeden leistbar, der Geschmackserziehung und des Perfektionismus.

Dem stellt Hohnsträter fünf Dimensionen gegenüber, die Qualität tatsächlich ausmachen: Das Material bzw. ein gutes Ausgangsprodukt, dessen Verarbeitung und Machart, die Form und das ästhetische Erscheinungsbild als wichtiger Beitrag zum kulinarischen Erlebnis sowie die Funktion – etwa des Sattwerdens oder Genießens beim Essen – und die Wirkung im umfassenden Sinne des Produkterlebnisses.

 

Gruppenbild der Expertinnen und Experten (v.l.): Dirk Hohnsträter (Universität Hildesheim), Roman Vilgut (Kleine Zeitung), Eva Rosenberg (Vier Pfoten), f.eh-Geschäftsführerin Marlies Gruber, Christine Brombach (ZHAW) und Christina Mutenthaler (AMA-Marketing)

 

Annäherung an die Qualität von Lebensmitteln
Barbara Kaiser vom deutschen Bundeszentrum für Ernährung nennt acht Werte, die eine Annäherung an die Qualität von Lebensmitteln erlauben: Gesundheit, Eignung wie Haltbarkeit und Lagerung, Genuss sowie ökonomischer, ökologischer, sozialer, soziokultureller und emotionaler Wert. So werden Schülerinnen und Schülern schrittweise Qualitätsaspekte nähergebracht sowie Kompetenzen vermittelt, die es ermöglichen, die Folgen ihres Konsumverhaltens abschätzen und reflektieren zu können sowie freie und verantwortungsbewusste Entscheidungen zu treffen.

Lukas Schwingshackl von der Uni Freiburg erläutert anhand verschiedener Konzepte, wie die Qualität der Ernährungsgewohnheiten beurteilt werden kann. Während Nährstoff-orientierte Ansätze eine ganzheitliche Sicht einschränken, gibt es zu Essmustern, wie der Mediterranen Diät, Studien, die positive gesundheitliche Effekte belegen.

Familie und Bildung als zentrale Impulse
Qualität von und Wertschätzung für Lebensmittel und Esskultur im Unterricht zu vermitteln, ist aus mehreren Gründen relevant. Eine umfassende Ernährungs- und Verbraucherbildung sowie eine familiäre Wissenstradierung sehen die Expertinnen und Experten als wichtigste Maßnahmen, um Wissen, Kompetenzen sowie Haltungen zu vermitteln und die Urteilskraft zu schärfen.

Christine Brombach von der Züricher Hochschule für angewandte Wissenschaften betont dazu: „Wir sind auf die umgebende Kultur und Sozialsituationen angewiesen, über die Wertschätzung vermittelt wird. Das Kind lernt über familiäre Alltagsroutinen, mit Lebensmitteln entsprechend umzugehen, und sammelt Lernerfahrungen. Zudem werden gewisse Werte vermittelt. Strategisch mehr Wertschätzung für Lebensmittel zu erzeugen, muss aber als komplexe öffentliche Bildungsaufgabe gesehen werden. Wir können nicht erwarten, dass es nur im Haushalt tradiert wird.“

Als weitere Möglichkeiten, qualitätskundig zu werden, nennen die Expertinnen und Experten urteilsbildende Instanzen wie Kritiker und Tester sowie zunehmend Communities und Gruppen, in denen eine Lebenskunst kultiviert wird, sich informiert und entdeckerisch mit kulinarischen Themen auseinander zu setzen. Diese Kultur der Qualitätszentrierung verringert das Risiko, angesichts des Überangebots überfordert zu sein.

 

Podiumsdiskussion (v.l.): Christina Mutenthaler (AMA-Marketing), Roman Vilgut (Kleine Zeitung), Eva Rosenberg (Vier Pfoten) und Moderatorin Ursula Riegler

 

Transparenz und Dialog
Wie komplex Qualität und Wertschätzung sein können und dass es bereits in der schulischen Laufbahn eine Ernährungs- und Verbraucherbildung braucht, zeigen nicht zuletzt die Diskussionen um Fleischkonsum und Tierwohl.

Denn Qualität von tierischen Produkten zu erkennen, wird für die Konsumentinnen und Konsumenten zunehmend durch einen Dschungel an Labeln und Siegeln erschwert, kritisiert Christina Mutenthaler von der AMA-Marketing. Sie will künftig die Leute über eine höhere Transparenz dazu animieren, sich mit Qualität auseinanderzusetzen.

Eva Rosenberg (Vier Pfoten) spricht sich dazu für eine Herkunfts- und eine Haltungskennzeichnung mit einer Zertifizierung durch eine unabhängige Stelle aus.

Roman Vilgut (Kleine Zeitung) wünscht sich einen ehrlichen Dialog abseits vom „sprechenden Schwein aus der Werbung und dem blutenden Schwein aus der Berichterstattung, da sowohl die Idylle als auch Fälle von Missbrauch Minderheiten und nicht die landwirtschaftliche Realität sind“.

Franz Sinabell (WIFO) warnt in der Tierschutzdiskussion vor enormen Teuerungen, von denen man weiß, dass sie bei Konsumentinnen und Konsumenten Verhaltensänderungen auslösen können. „Preise haben Signalwirkung und Leute passen ihr Verhalten an. Das kann sich negativ auswirken, wenn Landwirtinnen und Landwirten Mittel für Tierwohlinvestitionen fehlen, aber auch positiv, wenn das Verhalten bei der Lebensmittelverschwendung verändert wird.“

Abg. z. NR Christian Drobits betont, dass Politikerinnen und Politiker bei ihrer Entscheidungsfindung auf wissenschaftlichen Fakten und Einschätzungen angewiesen sind: „Politik ohne Forschung ist nichts“, so Drobits. „Sie ist die Grundlage, um die richtigen Entscheidungen in Form von Gesetzen beschließen zu können.“

Wer ist das Forum Ernährung heute?
Das forum. ernährung heute (f.eh) wurde 1991 mit Sitz in Wien gegründet und richtet seine Aktivitäten zur Förderung von ernährungs- und gesundheitsbezogener Information an einem Menschenbild aus, das von aufgeklärten und mündigen Verbrauchern ausgeht. Dabei versteht es sich als ein Kompetenzzentrum, in dem wissenschaftliches Fachwissen für alle Fragen zum Thema Ernährung, Ernährungsbildung und Ernährungsökologie sowie aktive Lebensstile gebündelt wird. Über faktenbasierte Information, einen offenen und transparenten Dialog und einen intensiven Wissenstransfer zwischen Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Verbraucher will das Forum breit akzeptierte Lösungen für die Praxis erarbeiten.

Ein wissenschaftlicher Beirat mit Vertretern aller einschlägigen Disziplinen unterstützt es bei seinen Aktivitäten. Getragen wird die Vereinsarbeit im Wesentlichen durch Beiträge der Vereinsmitglieder, die von Unternehmen der Lebensmittelwirtschaft geleistet werden.

 

Fotos: Mikkelsen/f.eh