In die Bretagne, in eine der bedeutendsten Agrarregionen Frankreichs, führte vom 10. bis 13. September eine von ENAJ gemeinsam mit dem französischen Agrarjournalistenverband AFJA und der Internationalen Agrarmesse für Tierhaltung und -produktion SPACE organisierte Pressereise für eine Gruppe von Agrarjournalisten aus ganz Europa, an der für den VAÖ Markus Habisch teilnahm. Hier sein Bericht. In diesem Zusammenhang fand auch die Generalversammlung des Europäischen Dachverbandes ENAJ statt (Bericht hier).
Landwirtschaft in der Bretagne
Die Bretagne ist die führende landwirtschaftliche Region Frankreichs und die führende Agrar- und Ernährungsregion in Europa. Die bretonischen Landwirte ernähren einen von drei Franzosen. Mehr als 60 Prozent der Fläche sind landwirtschaftlich genutzt. Ein Drittel der französischen Nutztiere wird hier erzeugt. Einen Überblick über die Bedeutung der Region für die Tierhaltung finden Sie hier: https://uk.space.fr/EN/livestock-brittany.aspx
Saint Malo – Freibrief zum Entern
In Saint Malo, der Stadt mit dem bedeutendsten Hafen an der bretonischen Nordküste und aufgrund ihres originalgetreu wiederaufgebauten historischen Stadtkerns und ihrer Festungsanlagen einer der meistbesuchten Orte Frankreichs, nahm die dreitägige Pressereise ihren Beginn. Im Zuge der Stadtführung erfuhren die Kolleginnen und Kollegen viel Wissenswertes über Proviantierung und Lagerung von Lebensmitteln auf Schiffen für die langen Überfahrten in der Zeit der Korsaren. Die Korsaren waren eine Gruppe besonders wagemutiger Menschen, sie galten als „staatlich legitimierte“ Freibeuter. Sie gründeten sich ursprünglich zur Abwehr plündernd einfallender Wikingerhorden, entwickelten sich später mit staatlicher Duldung weiter und kaperten fortan holländische und englische Handelsschiffe, was zu einem guten Teil zum Reichtum dieser Stadt beitrug.
Effizienz und Ökologie in der Tier- und Pflanzenernährung
Am kommenden Tag stand ein Besuch bei der Roullier-Gruppe, dem französischen Spezialisten für die Tier- und Pflanzenernährung auf dem Terminplan. Die Groupe Roullier ist eine global tätige Firmengruppe, die sich im Familienbesitz befindet. Von den 10.000 Mitarbeitern sind 70 Prozent international tätig. Sie erzielt einen konsolidierten Umsatz von 4,1 Milliarden Euro. Mit 109 Produktionsstätten in der ganzen Welt und ihren bekanntesten Marken (TIMAC AGRO und Phosphea) sowie ihrer Diversifizierungsabteilung rund um die Themenbereiche Algologie, erneuerbare Energien und Verpackung deckt sie wichtige Teile der Tier- und Pflanzenernährung ab.
Großes Augenmerk legt die Gruppe mit ihrer Forschungs- und Entwicklungsabteilung, die die Journalisten im Rahmen des Betriebsbesuches besuchen konnten, darauf, wie sich Mineralstoffe in der Tier- und Pflanzenernährung effizienter und sparsamer einsetzen lassen.
Das Minerallium wiederum ist die erste philanthropische Initiative des Roullier Endowment Fund und wurde im Januar 2020 für Besucher geöffnet. Die Ausstellung zeigt und erklärt die wenig bekannte aber wichtige Rolle der natürlich vorkommenden Mineralien von den Anfängen des Lebens auf der Erde bis hin zu ihrer Verwendung in der Landwirtschaft.
Tierwohl und Energieeffizienz
Am Schweinezuchtbetrieb von Pacaline und Sèbastian Homo erläuterte die Betreiberfamilie ihre Initiativen zur Steigerung von Tiergesundheit und Tierwohl. Die Umsetzung beginnt beim Bau von besonders tierfreundlichen Abferkelbuchten, führt über den Kupierstopp der Schwänze und endet noch lange nicht dabei, dass bei 95 Prozent der Schweine kein Antibiotikum eingesetzt werden muss. Darüber hinaus wurde im vergangenen Jahr eine 33 KW Peak Dachfotovoltaikanlage zur Abdeckung eines großen Anteils des Strombedarfs bei der energieintensiven Zuchtsauenhaltung installiert.
Außerdem kooperiert der Betrieb mit einer Biogasanlage. 380 Tonnen an separierten Festmistanteilen der 900 Mastplätze des Betriebes werden dorthin gebracht und so entsteht das Äquivalent von zehn Tonnen Gas im Jahr, das zur Wärmeversorgung von 13 Haushalten dient. Der Gärrest wird als hochwertiger organischer Dünger genutzt. Schließlich ist auf dem Betrieb eine Hackschnitzelheizung installiert. Als Heizmaterial wird hauptsächlich der Heckenschnitt genutzt. Auf dem 200 Hektar-Betrieb findet sich in Summe eine Heckenlänge von 16,5 Kilometern.
Ein bäuerlicher Direktvermarkterladen rundet das nachhaltige Ansinnen der Betreiberfamilie ab. Dort werden neben eigenen Schweinefleischerzeugnissen auch andere Produktgruppen regionaler Bauern angeboten, um den Kundinnen und Kunden den Einkauf verschiedener Lebensmittel an einem Ort zu ermöglichen.
Tierproduktion in der Bretagne vor zahlreichen Herausforderungen
Bei einer abendlichen Podiumsdiskussion wurden die zahlreichen Herausforderungen, vor denen die Tierhaltung – nicht nur in der Bretagne – steht, erörtert. Am Podium war mit Vincent Chatelier, Wirtschaftswissenschaftler bei Inrae, Marcel Denieul, dem Vorsitzenden der Agrarmesse SPACE, Thierry Meyer, dem Vorsitzenden von Inaporc und Leiter des Schweinefleischsektors der Bigard-Gruppe, Yann Nédélec, Direktor von Anvol und André Sergent, Präsident der regionalen Landwirtschaftskammer der Bretagne ein hochkarätiges Expertengremium vertreten.
Als Ursachen für den Verbrauchs-Rückgang von rotem Fleisch orteten die Diskutanten gesellschaftlichen und politischen Druck im Zusammenhang mit dem Klimawandel, Abhängigkeiten vom Weltmarkt, die Ausfuhr von Teilstücken, die in Frankreich nicht konsumiert werden, Bedeutung des innereuropäischen Handels, der große Importdruck von Hähnchen für Gastronomie und Verarbeitung, ebenso wie grundlegende europäische Aspekte, Mercosur und der Green Deal.
Internationale Agrarmesse SPACE in Rennes
Mit 1.207 Ausstellern war die 37. Ausgabe der SPACE, die vom Dienstag, 12. bis Donnerstag, 14. September auf dem Messegelände von Rennes stattfand, ein Branchentreffen der Superlative. Unter den Ausstellern waren auch 365 internationale Unternehmen aus 39 verschiedenen Ländern zu finden. Insgesamt konnten 90.771 Besucher begrüßt werden, darunter ebenfalls über 12.000 internationale Besucher aus 122 Ländern.
Der inhaltliche Schwerpunkt der diesjährigen SPACE befasste sich mit dem Thema Energie. Energiesparen, Energieerzeugung, Energieautonomie, Verringerung des Verbrauchs von Energieabfällen, Erhöhung des Anteils der erneuerbaren Energien waren nur einige Themenfelder, die durch die Aussteller und die Expertenvorträge abgebildet wurden.
Herzlicher Dank an das Organisationskomitee
Ein besonderer Dank gilt an dieser Stelle den Hauptorganisatoren Fleur Boutillier und Nicole Ouvrard vom französischen Verband AFAJ, der ENAJ Sekretärin Yanne Boloh, AFAJ-Präsidenten Adrien Cahuzac und Adrian Krebs für seine Unterstützung.
Die französischen Organisatorinnen boten den angereisten Journalisten einen tiefen Einblick in die Landwirtschaft, die Kultur und das Leben in der Bretagne, das alles gepaart mit großzügiger Gastfreundschaft und herzhafter bretonischer Kulinarik.
Fotos: Habisch, AFJA, SPACE